Rund 1,2 Millionen Frauen zwischen 14 und 45 Jahren verhüten in Österreich. Die Kosten liegen laut Sozialministerium je nach Verhütungsmittel zwischen rund 30 und 230 Euro pro Jahr. Anders als in manchen europäischen Ländern wie Griechenland, Portugal, Slowenien, Großbritannien und Spanien gibt es hierzulande keinen kostenlosen Zugang zu Verhütung. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum Österreich im Ranking des aktuellen Contraception Policy Atlas Europe derzeit nur einen hinteren Platz belegt. Ein weiterer ist der Mangel an kostenloser Beratung zu dem Thema. Zuständig für die Verhütung ist meist die Frau. Welches Mittel bzw. welche Methode gewählt wird, hängt oft von den Kosten ab. Am beliebtesten ist die Pille. Mehr als ein Drittel der Frauen in Österreich würden laut aktuellem Verhütungsbericht eine andere Verhütungsmethode wählen, wenn sie es sich leisten könnten.
Damit die Familienplanung und der Schutz vor Geschlechtskrankheiten nicht am Geld und fehlender Information scheitert, läuft derzeit ein Pilotprojekt in Vorarlberg. Es ermöglicht Frauen kostenlosen Zugang zu Verhütung und Verhütungsberatung. Umgesetzt wird INVVO – Informiert Verhüten in Vorarlberg, so der Projektname – von femail, dem Fraueninformationszentrum Vorarlberg, und der AKS Gesundheit GmbH. Ziel ist, herauszufinden, welche Auswirkungen öffentlich finanzierte Verhütung für Mädchen ab 14 Jahren auf die Gesundheitsversorgung hat. Die Projektverantwortliche Lea Putz-Erath erklärt: „Verhütung wird in immer mehr Ländern ein Teil der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Für Österreich gibt es damit keine Erfahrungen. Das wollen wir jetzt unter wissenschaftlicher Begleitung untersuchen.“
Für 3.500 Frauen werden die Verhütungskosten übernommen. Für die kostenlose Beratung gibt es keine Begrenzung. Eine erste Bewerbungsrunde endete Ende September. 1.500 Frauen aus ganz Vorarlberg haben Interesse bekundet, 800 haben den für die Teilnahme erforderlichen Fragebogen bereits ausgefüllt. Sie bekommen nun einen INVVO-Pass. Gemeinsam mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen wird das passende Verhütungsmittel ausgewählt und im Pass vermerkt. Die Rechnung bekommt femail. Finanziert werden die Kosten von 950.000 Euro vom Sozialministerium. Das Interesse an der Teilnahme war laut Putz-Erath sehr groß. Nun geht es darum, anhand von statistischen Kriterien zu entscheiden, wer teilnehmen kann. Die Teilnehmerinnen sollen möglichst ein Abbild der Frauen in Österreich sein. „Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit der Ärztekammer und den Gynäkologen und Gynäkologinnen. Besonders freut uns das Interesse vonseiten verschiedener Einrichtungen. Denn unser Ziel ist es, insbesondere auch Frauen anzusprechen, die erschwert Zugang zu Verhütung haben, beispielsweise Frauen mit Behinderung“, sagt Putz-Erath.
Warum sich das Projekt ausschließlich an Frauen richtet, begründet Putz-Erath damit, dass die gängigen Verhütungsmittel für Frauen entwickelt wurden. Trotzdem oder gerade deswegen will man bei einer psychosozialen Beratung auch über Verhütungsverantwortung sprechen. Richtiges Verhüten soll auch Thema in der Beziehung sein. Mitmachen können Frauen ab der sexuellen Mündigkeit, sprich ab 14 Jahren. Das Projekt läuft bis Ende 2026. Anschließend wird es evaluiert. Laut Putz-Erath gehe es femail jedoch nicht nur um Empfängnisverhütung. „Es geht um alle Aspekte der Frauengesundheit, die in Zusammenhang mit sexueller und reproduktiver Gesundheit stehen. Empfängnisverhütung, Prävention von sexuell übertragbaren Erkrankungen, aber auch positive Effekte von selbstbestimmter Sexualität und der Beschäftigung mit gesunden Körperbildern spielen hier eine Rolle.“
Volksbegehren für kostenlose Verhütung
Der Verein Gratis Verhütung für alle!, gegründet von einer Gruppe rund um die Wienerin Aisha Gstöttner im Rahmen des Forums Alpbach 2023, setzt sich mit einem Volksbegehren für gratis Verhütung in Österreich ein. Zu den Forderungen zählen unter anderem die Kostenübernahme für hormonelle und nicht hormonelle Verhütung, die Pille danach, die Verhütungsberatung, Kondome und Lecktücher sowie eine umfassende sexualpädagogische Beratung in der Schule und in Bildungseinrichtungen. Aktuell haben 14.000 Menschen in Österreich die Petition unterschrieben, 100.000 Unterschriften werden benötigt, damit das Volksbegehren im Parlament behandelt wird.