„Wichtig ist, zuzuhören“

Die pensionierte Lehrerin Ulla Häußle und die Psychotherapeutin Sonja Steixner von „Ja Demokratie“ organisieren die erste österreichweite Demokratiewoche mit
und erzählen, wieso ein aktives Demokratieverständnis heute wichtiger ist denn je.

von Jakob Häusle
Sonja Steixner (l.) und Ulla Häußle von der Initiative Ja Demokratie. (c) Jakob Häusle
Sie sind bei Ja Demokratie aktiv. Wie ist die Initiative entstanden?

Ulla Häußle und Sonja Steixner: Begonnen hat alles 2024 in Wien vor der Europawahl. Dort entstand die Idee, mit Aktionen für demokratische Werte und für mehr Bürgerbeteiligung zu werben. Wir in Tirol haben dann im August desselben Jahres begonnen, uns zu organisieren. Viele Engagierte aus anderen Initiativen wie etwa Omas gegen Rechts schlossen sich an. Heute sind wir Teil des Bündnis 2025, das heuer erstmals die Demokratiewoche von 20. bis 26. Oktober österreichweit organisiert.

Was ist Ihr Ziel?

Demokratie sichtbar machen und ins Gespräch bringen. Wir wollen Aktionen setzen, die möglichst viele Menschen einbinden – Infostände, Gespräche, kulturelle Formate. Wichtig ist, dass daraus eine Bewegung wird, die weiterwächst.

Bei Ihren Veranstaltungen sprechen Sie bewusst auch mit Andersdenkenden. Wie läuft das ab?

Vor der Nationalratswahl haben wir in Innsbruck und Hall Flyer verteilt und Leute direkt angesprochen. Besonders herausfordernd waren die Gespräche mit tendenziell rechten Wählerinnen und Wählern – wir haben vor allem zugehört, nachgefragt und versucht, zu verstehen. Manche fühlten sich von der Politik übergangen, andere wiederholten demokratiefeindliche Parolen. Diskutieren war oft schwierig, aber es ging uns nicht ums Überzeugen, sondern darum, Demokratie ins Bewusstsein zu rücken. Und es gab auch viele positive Begegnungen: Menschen, die sich gerne über das Thema Demokratie austauschten, oder die noch nie gewählt hatten und nicht wussten, wie der Ablauf funktioniert, waren dankbar für Informationen.

Aus welchem Grund braucht es Initiativen wie Ja Demokratie?

Die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt mittlerweile in Autokratien, auch Europa ist gefährdet – Ungarn, Polen, Italien – um Beispiele zu nennen. Wir haben Demokratie zu lange für selbstverständlich genommen. Es braucht dringend Bewusstseinsarbeit, um demokratische Werte zu verteidigen. Politikverdrossenheit heißt oft, dass Menschen sich nicht vertreten fühlen oder glauben, man müsse eh nicht wählen gehen. Doch Demokratie lebt von größtmöglicher Beteiligung.

Die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt mittlerweile in Autokratien, auch Europa ist gefährdet.

Warum ist die Demokratie ein schützenswertes Gut?

Sie garantiert Sozialstaat und Rechtsstaat: Arbeitslosenversicherung, Pflegegeld, unabhängige Gerichte, freie Medien. Demokratien bekriegen sich in der Regel nicht. Auch Gesundheitswesen und Bildung sind zentrale Errungenschaften. Demokratische Prozesse brauchen Zeit, ermöglichen aber faire Entscheidungen, bei denen viele Stimmen gehört werden. Und Demokratien können sich am besten an aktuelle Herausforderungen anpassen und anstehende Probleme lösen.

Wie gehen Sie mit demokratiefeindlichen Parolen um?

Wir haben Argumentationstrainings gemacht. Wichtig ist, zuzuhören, nicht sofort ins Framing zu springen, manchmal Themen umzulenken. Nicht jede Parole muss man widerlegen – Nachfragen wirkt oft stärker. Es gibt auch kleine Erfolgsmomente: Ein FPÖ-Sympathisant bedankte sich nach einer Sitzung ausdrücklich dafür, dass wir ihm zugehört hatten.

Welche Aktionen sind für die Demokratiewoche geplant?

Es gibt drei Filmvorführungen mit Diskussion, einen „Marktplatz der Demokratie“ mit Lesungen, Musik, Theater und Infoständen sowie Flashmobs. Außerdem Zebrastreifenaktionen mit Transparenten, Verkehrsschilder gegen Rassismus, öffentliche Staatsbürgerschaftstests und Lesungen. Wir wollen in der Stadt, anderen Bezirken und an Schulen sichtbar sein, niederschwellig und direkt.

Wenn Sie am 27. Oktober auf Ihre Aktion zurückschauen, was würden Sie als Erfolg verbuchen?

Wenn möglichst viele Menschen ins Gespräch kommen und Impulse mitnehmen. Demokratie ist nie fertig, sondern Arbeit. Aber es ist eine Arbeit, die sich lohnt und die wir fortsetzen wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.
Demokratiewoche

Von 20. bis 26. Oktober veranstalten mehrere Initiativen, unter anderem Ja Demokratie, die erste Demokratiewoche in Österreich.
Infos unter:

www.ja-demokratie.at

www.buendnis2025.at

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