Es ist Freitagabend in der Bäckerei. Der Saal ist voll, die Tickets sind ausverkauft und trotzdem steht noch immer eine lange Schlange vor der Tür. Ein Mikrofon, ein paar Minuten Zeit und schon gehört die Bühne einer einzelnen Stimme. Wer den Bäckerei-Poetry-Slam besucht, der spürt: Poetry-Slam in Innsbruck ist weitaus mehr als nur eine Randerscheinung. Er ist Heimat, Kulturort, ein Versprechen, dass jede Stimme zählt.
Die Geschichte des Poetry-Slams in Innsbruck beginnt im Jahr 2002 mit Markus Köhle. Er veranstaltete damals den ersten Poetry-Slam in ganz Österreich. Die ersten Slams wurden noch im kleinen Rahmen und ohne Mikrofon im Bierstindl, dem damaligen Kulturzentrum von Innsbruck, abgehalten. „Anfänglich wurde fast noch mehr moderiert als geslammt“, erzählt Martin Fritz, Obperson des Vereins SPoT – Slam Poetry Tirol. Die Bierstindl-Slams gewannen schnell an Popularität: „Die Leute fanden oft gar keinen Platz mehr und mussten bis in den Gang stehen“, erinnert sich Fritz. Im Jänner 2011 fanden die Bierstindl-Slams ihr neues Zuhause in der Bäckerei, wo sie auch heute noch jeden letzten Freitag im Monat stattfinden.
Die Bäckerei-Slams haben sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Innsbrucker Kulturszene entwickelt und sind fast jedes Mal innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Das Besondere am Bäckerei-Poetry-Slam: Nach wie vor gibt es eine offene Liste, in die sich Teilnehmende noch am selben Abend eintragen können – so erhält jede und jeder die Chance, das Publikum mit den eigenen Texten zu begeistern. „In vielen Städten ist das mittlerweile anders. Da kann man zum Beispiel nur auftreten, wenn man eingeladen wird. Für uns ist wichtig, dass nach wie vor alle die Chance haben, auf einer Slam-Bühne zu stehen“, so Martin Fritz. Neben den Bäckerei-Slams organisiert der Verein auch den U20-Slam, den Feministinnen-Slam, den Gestaltenwandler-Slam, den Sauna-Slam sowie den Glam-Slam, bei dem Verkleidungen ausnahmsweise ausdrücklich erwünscht sind.
Lange war Markus Köhle allein für die Organisation der Poetry-Slams in Innsbruck zuständig. Erst im Laufe der 2010er-Jahre stieß Unterstützung aus der Slam-Szene dazu – allen voran Carmen Sulzenbacher, Stefan Abermann und Martin Fritz, die Teile der Organisation übernahmen. Erst seit Jänner 2023 besteht ein offizieller Verein, der nicht zuletzt im Hinblick auf die Planung und Ausrichtung des Ö-Slams 2025 ins Leben gerufen wurde.
Die österreichischen Meister*innenschaften im Poetry-Slam fanden bereits 2008 – damals noch in Form eines größeren Bierstindl-Slams – in Innsbruck statt. 2015 war die Veranstaltung schon deutlich größer: In vier Vorrunden und einem Finale wurde der Wettbewerb in der Bäckerei und im Brux abgehalten. Zehn Jahre später ist es wieder so weit: Vom 16. bis zum 18. Oktober findet der Ö-Slam wieder in Innsbruck statt. Dieses Mal gibt es neben dem Einzelwettbewerb auch eine U20-Kategorie und ein Team-Format. Ausgetragen wird das Event in vier verschiedenen Locations – darunter die Bäckerei als langjährige Heimstätte, aber auch im Großen Haus des Tiroler Landestheaters.
Drei Fragen an den Tiroler Poetry-Slam- Vizeweltmeister, Schriftsteller und Filmregisseur Emil Kaschka.

Sie sind heuer beim Ö-Slam als Ehrengast dabei, treten aber selbst nicht mehr im Wettbewerb an. Warum und wie fühlt sich das für Sie an?
Emil Kaschka: Man muss für den Ö-Slam nominiert werden, weshalb das gar nicht meine eigene Entscheidung war. Da ich im letzten Jahr wenig auf regulären Slams aufgetreten bin, wurde ich nicht nominiert. Und das ist auch gut so. Dadurch bekommen immer neue Poetinnen und Poeten die Chance, am Ö-Slam teilzunehmen. Die Rolle als Feature-Poet werde ich genießen. Den Stress und Nervenkitzel werde ich zugleich auch ein bisschen vermissen.
Immer wieder hört man die Kritik, dass Slam-Texte keine „richtige“ Literatur seien. Wie sehen Sie das?
Für mich liegt „Literarizität“ nicht im Text selbst, sondern in der Haltung, mit der ich einen Text lese. Literatur kann für mich ein Roman sein, ein Slam-Text, ein Werbespruch, die Kommentarspalte unter einem YouTube-Video, der Chat-Verlauf in einer WhatsApp-Gruppe oder eine Instagram-Story von Elias Hirschl.
Viele Slammerinnen und Slammer beschreiben ihre Texte als eng verbunden mit der eigenen Stimme, dem Rhythmus und der Performance. Wie sehr beeinflusst Sie Ihre Bühnenerfahrung, wenn Sie an längeren Textformen arbeiten?
Ersterem stimme ich zu. Je länger ich Slam mache, umso spannender finde ich es, über den Inhalt des Textes hinauszudenken und den Raum zu nutzen, in den der Text ausgeweitet werden kann. Einen Slam-Text zu lesen, ist meistens sehr fad. So, wie wenn dir jemand einen Film erklärt. Ob die Slam-Texte meine längeren Textformen beeinflussen, weiß ich gar nicht. Unterbewusst sicher.
Tirol-Slam im Haus der Musik 2023. (c) Alena Klingler