Dokumentarisches Theater

Das Tiroler Landestheater zeigt mit der Uraufführung von „Codename Brooklyn“ eine Geschichte von Widerstand, Zusammenhalt und Courage gegen das NS-Regime.

von Michael Krause
Eröffnungsszene von Codename Brooklyn in den Kammerspielen. (c) Birgit Gufler

Nachts am 26. Februar 1945: Drei Agenten des amerikanischen Geheimdienstes OSS (Office of Stragety Service) springen bei dichtem Schneetreiben mit ihren Fallschirmen über dem Lüsener Ferner im Ötztal aus einem Flugzeug. Darunter Fred Mayer und Hans Wijnberg, die aus Europa als jüdische Flüchtlinge in die USA emigrierten. Ebenso der Tiroler Franz Weber, der als Soldat an einigen Operationen der deutschen Wehrmacht beteiligt war, aus Gewissensgründen desertierte und der U.S. Army seine Dienste anbot. Alle drei vereinte der Wille, Nazideutschland zu Fall zu bringen und geheime Informationen aus der „Alpenfestung“ rund um Innsbruck an die Amerikaner weiterzuleiten.

Tagelang kämpften sie sich vom Gletscher bis nach Oberperfuss durch, Werbers Geburtsort und ein sicheres Versteck für die Spione. Eine actionreiche Story dreier mutiger Männer, die Starregisseur Quentin Tarantino zu seinem Film „Inglorious Basterds“ inspirierte. Doch ohne genauso mutige Frauen wäre die „Operation Greenup“ niemals so erfolgreich gewesen.

„Ja, so sind sie. Stark und zuverlässig“, sagt eine der Schauspielerinnen und wiederholt damit die Worte des Zeitzeugen Josef Weber. Dieser hatte gerade auf der Bühne der Kammerspiele mit diesen Attributen beschrieben, wie unentbehrlich die Arbeit einiger Frauen an der „Operation Greenup“ war. Der Geheimauftrag hatte zum Ziel, möglichst viel über die Bewegungen und Vorhaben der Nazis in Tirol gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu erlangen. So konnte Fred Mayer, in der Rolle eines deutschen Offiziers oder eines französischen Elektrikers (er sprach fließend Französisch), sogar herausfinden, wo in Berlin sich angeblich Adolf Hitler aufhielt.

„Es ist super, wenn Menschen durch das Stück motiviert werden, zu erzählen.“

Alexander Kratzer, Regisseur

Möglich wurde das aber erst durch Franz Webers Verlobte Anni Niederkicher, deren Mutter und seine drei Schwestern in Oberperfuss. „Es war klar, dass wir diesen Aspekt mitreinnehmen wollen. Das er aber so groß wird, wurde erst während der Recherchearbeit klar“, sagt Regisseur Alexander Kratzer über die Beteiligung der Frauen im Interview mit dem 20er. Egal ob Verpflegung, Unterbringung, gefälschte Papiere oder sogar eine gestohlene deutsche Offiziersuniform: Sie lieferten die Basis und Struktur für das heikle Unterfangen. Nicht zuletzt deswegen ergab sich der damalige Gauleiter Franz Hofer und erklärte Innsbruck zur „offenen Stadt“, die dadurch von weiteren Bombardierungen und Angriffen verschont blieb.

Die Form des Dokumentartheaters, also das Verarbeiten historischer Fakten und Quellen zu einem Bühnenstück, bietet sich optimal an, um diesen Stoff zu erzählen. Mit dem gebürtigen Innsbrucker Regisseur konnte man diesbezüglich eine erfahrene Personalie gewinnen, die mit den Produktionen „Bombenjahre“ (2016) und „Option. Spuren der Erinnerung“ (2019) schon Südtiroler Zeitgeschichte aufarbeitete. Der in aufwändigen Nachforschungen entstandenen Text zu „Codename Brooklyn“ wird dabei aber nicht nur von Schauspielern vortragen. Kratzer lässt Zeitzeugen auf der Bühne zu Wort kommen und stellt den Dialog zu Jugendlichen her, die im Rahmen dieser Produktion an einer Schreibwerkstatt zum Thema „Widerstand“ teilnahmen und deren Ergebnisse mit einfließen. „Es ist super, wenn Menschen durch das Stück motiviert werden, zu erzählen – oder vielleicht auch zu fragen“, meint Kratzer auf die Frage, was Theater zur Erinnerungskultur beitragen kann.

„Codename Brooklyn“ baut Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart und fordert auf, sich abermals und stetig mit den Verbrechen der Nazis auseinanderzusetzen. Ein kämpferisches Statement, das sich gegen den aufstrebenden Rechtspopulismus stellt und an eine demokratische Einheit appelliert, in der die kommenden Generationen im besten Falle aufwachsen.

Codename Brooklyn am Tiroler Landestheater:
13.4., 17.5., 1. & 15.6.

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